Chemie

Mikroblitze als Ursprung des Lebens?

Lebensentstehung in der Ursuppe funktionierte auch ohne große Blitzeinschläge

Spritzendes Wasser
Ohne Mikroblitze in Wassertropfen wäre es womöglich nie zur Entstehung des Lebens gekommen. © RomoloTavani/ iStock

Funke des Lebens: Die ersten Bausteine für das irdische Leben könnten auch ohne dramatische Blitzentladungen entstanden sein. Stattdessen reichten wahrscheinlich schon kleinste elektrische Entladungen zwischen Wassertröpfchen – beispielsweise in Wasserfällen oder Meereswellen, wie Experimente nahelegen. Demnach führen solche Mikroentladungen in Kombination mit bestimmten Gasen zur Bildung stickstoffhaltiger organischer Moleküle und damit zu wichtigen Lebensbausteinen.

Vor 3,5 bis vier Milliarden Jahren war unser Planet noch ein rauer Ort mit anhaltender vulkanischer Aktivität und kaum Sauerstoff in der Luft. Dennoch entstand schon zu dieser Zeit das erste Leben auf der Erde. Wo und wie genau dies passierte, ist jedoch unklar. Als mögliche Wiegen des Lebens gelten hydrothermale Schlote im Meer, aber auch Gesteinsporen und wassergefüllte Einschlagskrater.

Frühe Erde
Die frühe Erde war ein unwirtlicher Ort. © picturist/ Getty Images

Wie entstanden die Lebensbausteine?

Ähnlich strittig wie der Ort der Lebensentstehung ist, woher die organischen Molekülbausteine für die ersten Zellen kamen. Sie könnten aus dem All stammen, aber auch durch verschiedene chemische Prozesse auf der Erde gebildet worden sein. Theoretisch könnten als Rohstoffe dafür Wasser sowie die Gase der damaligen Atmosphäre ausgereicht haben – darunter Wasserstoff, Methan und Ammoniak.

Wie das berühmte Experiment der US-amerikanischen Forscher Stanley Miller und Harold Urey in den 1950er Jahren gezeigt hat, können aus den Zutaten dieser sogenannten „Ursuppe“ einfache organische Verbindungen wie Formaldehyd und Cyanwasserstoff entstehen. Die dafür nötigen chemischen Reaktionen sind allerdings auf eine Energiezufuhr angewiesen. Miller und Urey gingen davon aus, dass auf der frühen Erde Blitze diese Aufgabe übernahmen.

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Waren Blitze dafür essenziell?

Doch Forschende um Yifan Meng von der Stanford University zweifeln diese Blitzhypothese nun an. Sie gehen stattdessen davon aus, dass das erste Leben deutlich weniger dramatisch entstanden ist, und zwar durch viele kleine „Mikroblitze“ zwischen versprühten Wassertropfen, wie sie etwa an Wasserfällen oder Wellen vorkommen.

In Experimenten fand das Team heraus, dass größere Wassertropfen oft positiv geladen sind und kleinere negativ. Näherten sich die entgegengesetzt geladenen Tropfen im Laborsetting einander, sprangen winzige Funken zwischen ihnen über, die nur mit einer Hochgeschwindigkeitskamera zu erkennen waren. Diese Mikroblitze entstehen damit ebenso wie herkömmliche Blitze durch elektrische Entladung, nur eben im Mikromaßstab. Doch können es anstelle dramatischer Himmelsblitze wirklich viele kleine „Wasser-Blitzchen“ gewesen sein, die einst zur Bildung organischer Moleküle beitrugen?

Die gleichen Moleküle wie bei Miller und Urey

In der Tat: „Diese Mikroblitze können die umgebenden Grundzustandsmoleküle anregen, dissoziieren oder ionisieren, wodurch chemische Reaktionen in dem die Wassermikrotröpfchen umgebenden Gas stattfinden“, schreiben Meng und sein Team. In den Laborexperimenten führten die Mikroblitze auf diesem Weg unter anderem zur Bildung organischer Moleküle mit Kohlenstoff-Stickstoff-Bindungen, darunter Cyanwasserstoff, der Aminosäure Glycin sowie Uracil, einem wichtigen Bestandteil von RNA.

„Mikroelektrische Entladungen zwischen entgegengesetzt geladenen Wassermikrotröpfchen erzeugen alle organischen Moleküle, die zuvor im Miller-Urey-Experiment beobachtet wurden“, berichtet Seniorautor Richard Zare. „Wir gehen davon aus, dass dies ein neuer Mechanismus für die präbiotische Synthese von Molekülen ist, die die Bausteine des Lebens bilden.“

Ein realistischerer Ansatz?

Damit schließt das Team zwar nicht aus, dass auch reguläre Blitze die nötige Energie für entsprechende chemische Reaktionen liefern können, doch sie seien schlicht zu selten und der Ozean zu groß, um wirklich als realistische Ursache für den Ursprung des Lebens in Frage zu kommen. Diese Argumente äußern Kritiker bereits seit den ersten Experimenten von Miller und Urey.

Der neue Erklärungsansatz erscheint im Gegensatz dazu etwas plausibler, denn tosende Wasserfälle und brechende Wellen, die Wasser durch Versprühen in kleine Tröpfchen aufteilen, waren auch schon vor vier Milliarden Jahren deutlich allgegenwärtiger als Blitzeinschläge. „Auf der frühen Erde gab es überall Wasserspritzer – in Spalten oder an Felsen. Diese konnten sich ansammeln und diese chemische Reaktion auslösen. Ich denke, das überwindet viele der Probleme, die man mit der Miller-Urey-Hypothese hat“, sagt Zare. (Science Advances, 2025; doi: 10.1126/sciadv.adt8979)

Quelle: Stanford University

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